Zweiter Teil: Norwegen Lachs 2006.

Numedål

"Unser Schloß"

In unserer „Heimat“ angekommen werden wir von Arne und Tom herzlichst empfangen und fühlen uns wirklich wie zu Hause.
Arne freut sich mit uns dass wir wieder am Numedål sind. Wir beziehen unser Schloss, ich die Suite. im Jahr davor musste noch das Los entscheiden, aber Oliver hatte zum Glück die Idee das Einzelzimmer unterm Dach demjenigen zukommen zu lassen, der die meisten Lachse am Mandal fängt. Ha, ha, - beim Losen hab ich immer Pech.

"Vilhelm aus Oslo"

Vilhelms Hochprozentige Sjøørret

Alles klar, das wollen wir auch. Vilhelms Begleiter verabschiedet sich nach einem kurzen Plausch und wir bekommen bei einem Bierchen am Wasser den Tipp, - wenn der Olli mit ner kleinen Fliege fischt dann fischst du, mit ner großen. Und bleib im dicht auf den Fersen. –Olli erschreckt die Fische und du, - Reiner, fängst sie. Nach dem ersten Durchgang könnt ihr ja dann wechseln – und „Change Fly“ - wenn es nach ein paar Wurf keinen Biss gibt, -Fliege wechseln.
Ja, so machen wir es. Olli der Fischschreck und ich der Fänger. Das gefällt mir. Vilhelm schickt mich an den Beginn der Strecke, dahin wo die Lachse stehen. So weit oben haben wir bisher wegen der dortigen Wassertiefe noch nie angefangen. Aber wenn Vilhelm meint!? Meine Körpergröße mit 1,75 hat er ja wohl wahrgenommen?
5m vom Ufer stehe ich allerdings bereits bis zur Oberkante der Wathose im Wasser – na das macht doch nichts meint Vilhelm. „Geh nicht weiter rein und werfe halt 5m weiter!“ Klasse! Bis zur Brust im Wasser, Algen schlingen sich um Beine und Schnur und versuchen mich, wo es nur geht zu behindern, 5 Meter Rückraum, Sink1 Schnur die mangels Strömung an dieser Stelle wie ne 300er Teeny in den Fluten verschwindet, -macht doch nix, - werfe ich halt 5m weiter. Zum Glück wird es nach ein paar Schritten flußab flacher, die Strömung nimmt zu und ich muss mich nicht mehr so abmühen. Euch zeige ich`s. Mich hier auszusetzen.

Jetzt werde ich einen Lachs fangen. Das ist ideal hier. Man muss nur daran glauben. Mach ich. Aber, - wieder einmal die Rechnung ohne den Lachs gemacht. Sind halt doch Profis. – diese Lachse. Olli und Vilhelm fangen ca. 30m unterhalb von mir an und fischen sich zu den Meerforellen durch. Während Vilhelm wirft, treibt er Olli an, schneller zu fischen.

Vilhelm klemmt die Rute unter die Arme und strippt beidhändig ein. Grinst breit und ruft „ Fish faster“. „Noch „faster“ kann ich nicht“ ruft Olli, fängt aber auch an beidhändig zu strippen. „Do you feel anything?“ „Nö“, antworte Olli. „Change fly“, fliegt ihm Vilhelms Antwort entgegen, „The river is full of fishes. If they don´t take, change fly“. Oliver strippt weiterhin beidhändig. Vilhelm dagegen hebt und senkt seine Rute ununterbrochen. Er grinst schon wieder, „Always shift tactic, if you want to catch“ dringt es zu mir hinüber. Gleich fischt er im Kopfstand weiter, denke ich, um die Fische zu beeindrucken. Oliver hat derweil ordentlich zu tun mit „shiften“ und „changen“, dabei bemerkt er nicht, wie er immer tiefer in den Fluß hineinwatet. „Stop!“, wird er zurückgewunken.

 

„Nicht tiefer als knietief an dieser Stelle sonst stehst Du in den Fischen“. Dann standen wir die letzten 3 Jahre immer in den Fischen, denke ich, Oliver zieht sich einige Meter zurück. Wurf, Drift, gehen, Wurf, Drift, gehen… „Contact“ höre ich plötzlich Oliver rufen. „Change Fly“ antwortet Vilhelm und dann schnell weiterfischen. So drehen wir also unsere Runden in Vabrottet. Ein Zupfer in der ersten halben Stunde, ist gar kein schlechtes Ergebnis, verglichen mit den letzten Jahren.
Etwas später stoßen dann Peter und Alexander zu uns. Sie haben etwas unterhalb von uns ebenso erfolglos ihr Glück versucht. Wie war es am Mandal werden wir befragt. Nur ..... Lachse, keine Seatrout… ob wir auch nachts gefischt haben? Logisch haben wir das. Jetzt grinst Vilhelm nicht mehr. Nächstes Jahr, sagt er, sollen wir mit ihm zusammen hoch in den Norden Norwegens reisen, an kleine Lachs führende Flüsse. Dort würden wir sicher mehr fangen. Auf Lachse hoch im Norden…, warum nicht. Vilhelm verabschiedet sich nun von uns. Er muss leider nach Hause fahren und bis Oslo sind es noch einige Kilometer. Nachdem er die Böschung hochgekraxelt ist, die Rute in der einen, eine Meerforelle in der anderen wendet er sich noch einmal an uns und beschwört uns „Allways change fly!“ Beim Lachsangeln trifft man schon komische Typen. Tom, Eric, Vilhelm, jeder ist anders. Symphatisch-durchgeknallt sind sie aber alle.
Mittlerweile ist es dunkel geworden, das Waten in der Roten ist nicht ganz ungefährlich.

 

"Drei Männer stehn am Numedal und einer liegt davor ;-)"

Die Strömung ist stark, das Wasser wird schnell tief und ist verblockt durch große, runde, glitschige Steine, Granitbrocken unregelmäßig verteilt, dazu noch der ein oder andere versunkene Baumstamm. Alles zusammen Stolperfallen von höchster Güte. Andersherum, erweist sich der Weg aus dem Wasser immer wieder als tückisch, besonders, wenn man dann zwischen sich und dem Ufer tiefe Löcher entdeckt. Da heißt es dann, die Wathosen bis unter die Achseln zu ziehen und einige Meter auf Zehenspitzen zu gehen. Deshalb dehnen wir das Fischen an diesem ersten Abend am Lågen nicht zu lange aus. Später in der Hütte diskutieren wir die „Change Fly Theorie“. Wir kommen zu dem Schluß, dass wir lieber der Erkenntnis vertrauen, das Aussehen der Fliege sei eher nebensächlich, finden den Ansatz aber gut, dass man in der Gruppe durch verschieden Fliegengrößen (und Taktiken) dicht hintereinander gefischt, seine Chancen auf einen Fisch erhöhen kann. Bei Pölser und Nudeln (Peters Lieblingsessen) sitzen wir noch lange zusammen.

Stehvermögen am Lågen


19.08. Morgens in der Früh wieder in der Roten Zone das Wetter ist nun eigentlich ideal, leicht bewölkt, nicht mehr so warm, ab und zu ein paar Regentropfen. Wir können uns nicht beschweren. Lediglich das Wasser ist mit 20° eher zum Baden geeignet. Wir nehmen, so wie uns jetzt schon oft empfohlen wurde kleinere Fliegen und fischen schneller. Das heißt wir bewegen uns im Wasser schneller, zwei – drei Schritte nach jedem Wurf, die wir schon während des Einstrippens laufen und wir verleihen der Fliege zusätzlich mehr Geschwindigkeit. Wir fischen die Rinnen und Pools sorgfältig durch. Was soll ich sagen. Nix, noch nicht mal den kleinsten Zupfer können wir verbuchen.

Wir freuen uns auf den Nachmittag in Føssa Øst, der gelben Zone (Fly only, max. 8 Ruten). Dort hat der Schwede Malmstrøm im Vorjahr einen 12 kg Lachs zum nehmen seine Märzbraunen bewegen können, …nach fünf lachslosen Jahren. Nach der Malmstrøm Rechnung dürften wir eigentlich erst im nächsten Jahr mit einem Lachsfang rechnen. Ich habe bereits am Mandal einen Strich durch diese Rechnung machen können. Oliver würde das nun auch gerne tun. Und ich bin auch schon wieder „heiß“. Nämlich, wirklich zufrieden werde ich erst sein, wenn ich meinen ersten Lagen-Lachs gelandet habe. Deshalb enthält meine Fliegendose auffällig viele Märzbraune.
Ich rudere Olli und mich mit einem kleinen Kahn der am Anfang der gelben Zone liegt ans rechte Ufer des Lågen (Føssa Vest). Peter und Alex bleiben auf der linken Seite (Føssa Øst) so kommen wir uns nicht ins Gehege und haben Platz ohne Ende. Es ist bewölkt, ein paar Tropfen fallen und es ist etwas kühler als die Tage zuvor. Ich überlasse nach Absprache mit Oliver die ersten beiden Pools ihm und gehe gleich weiter an den Styrmomælen“ der unterhalb der Schutzhütte liegt an der wir vor zwei Jahren beim Grillen unserer Meerforelle auf offnem Feuer den Besuch der zwei netten Jäger hatten. Oliver beobachtet einen Fliegenmann auf der anderen Seite. Dabei sieht er etwas Sonderbares. Ganz langsam, fast in Zeitlupe, schiebt sich ein ungewöhnlich großer Lachskopf aus dem Wasser, und hält sich dort einen Moment. Der mächtige Kiefer trägt einen Laichhaken. Die Oberseite des Kopfes mit den kleinen Knopfaugen ist bereits ziemlich braun mit orangen Einsprengseln. Dann verschwindet der Kopf wieder unterm Wasserspiegel. -irgendwie unwirklich- Im nächsten Moment wiederholt sich der Vorgang und dann ist der Zauber vorbei. Das fand nur wenige Meter oberhalb seines Gegenübers statt, der von alldem nichts bemerkt und stattdessen seine Würfe bis kurz vor Ollis Füsse legt. So ist das halt:

Das jeweils andere Ufer birgt vermeintlich immer die größten Fische. Ich bewege mich derweil langsam aber stetig auf eine mir fischverdächtigen Stelle zu. Wurf, Drift, zwei-drei Schritte, wieder Wurf. Sehr interessant ist dieser Pool, ganz anders als die Jahre zuvor. Das Hochwasser hat hier, wie in vielen bereichen des Flusses einiges verändert. Am gegenüberliegenden Ufer liegt durch einen Sturm geknickt ein Baum im Wasser, Riesige Findlinge hat der Wasserdruck verschoben und so muss man sich jedes Jahr aufs Neue auf den Fluss einstellen. Ich finde das toll und die Stelle, zu der ich mich jetzt bewege hat es meiner Meinung nach in sich. Eine tiefe Rinne nur fünf - sechs Meter breit, in einer Kurve fast am anderen Ufer gefällt mir besonders. Da müssen alle Fische, die den Lagen hoch wollen durch und in der Gegenströmung die sich durch den im Wasser liegenden Baum bildet können sich die Fische vor ihrer Weiterreise etwas ausruhen. Meine Anspannung wächst. Da muss was gehen. 

Ausgezählt am Lågen

Und ich hab es geahnt, da geht was. Zweimal ruckt es heftig an der Schnur bevor mir diese aus der Hand gerissen wird. Mein Puls steigt schlagartig auf Hundertachtzig. Was ist das? So was hab ich noch nicht erlebt. Ich lasse dem Fisch der auf meine Märzbraune gebissen hat noch etwas Zeit und hebe die Rute an. Das quittiert der Lachs sofort mit einer wilden Flucht Stromab. 30–40m Schnur rasen von der Rolle. Mir wird klar, dass ich ihn stoppen muss. 10 Meter weiter wird die Strömung so stark, dass meine chancen auf Null sinken. Also Bremse zu. Und da habe ich die Bescherung. Ich hatte die Bremse etwas zu schwach eingestellt -und bei der Rasanten ersten Flucht des Lachses hat sich die Rolle überschlagen.

Mist. Aber den Fisch konnte ich stoppen und er steht erst einmal vor der Strömungskante in einem Loch, hinter einem Stein. Ich klemme die Schnur unter Spannung mit dem Zeigefinger am Rutengriff fest und bringe das Geknäule auf meiner Rolle in Ordnung. Gerade habe ich dies halbwegs geschafft, da überlegt es sich der Fisch wieder anders und kommt mir in einem Affenzahn entgegen. Mann, - hat dieser Fisch eine Kraft. Alleine mit der Rolle unmöglich die Schnur in dieser Geschwindigkeit einzuholen. Großkern hin, oder her. Also Strippe ich was das Zeug hält. Uns trennen jetzt noch ca.15 Meter. Schnur an den Griff geklemmt und alle lose auf dem Wasser liegende wieder auf die Rolle spulend laufe ich Rückwerts Richtung Ufer, ich möchte aus dem Strömungsdruck raus und den Fisch in Ruhigeres, seichteres Wasser dirigieren. Das will der aber nicht. Der will in die andere Richtung. Und das macht der auch. - Ich kann nichts tun. – Der schwimmt einfach 5-6 Meter nach links, von mir weg, und schüttelt den Kopf. Bis in die Schulter merke ich die Stöße.
Ich übe mehr Druck aus, - ich muss ihn nach oben bekommen, - der muss sich bewegen ,- er darf nicht zur Ruhe kommen, geht mir durch den Kopf – ja, er kommt – langsam - aber er kommt auf mich zu - an mir vorbei.

Jetzt steht er rechts von mir, wieder Kopfschüttelnd. Ich gebe noch mehr Druck. Halten die Knoten, die Schnur , der Haken? Erst jetzt habe ich etwas Zeit mir darüber Gedanken zu machen. Puls 180. Hat sich noch kein Deut beruhigt. Im Gegenteil. Der Lachs bewegt sich wieder, wieder nach links von mir weg, da, - jetzt stoppt er - Kopfschüttelnd -dreht, kommt wieder auf mich zu, ich gehe wieder Rückwerts Richtung Ufer. Ich bekomme den Lachs aber nicht nach oben. Während ich mich frage wer hier wen drillt, lässt schlagartig der Druck nach. Ich liege fast im Wasser. Der Fisch ist ab. Weg. Haken ausgeschlitzt. In diesem Moment ist Oliver bei mir. Alex konnte den Drill vom anderen Ufer aus beobachten und machte ihn winkend darauf aufmerksam. „Hallo“ dachte sich Olli und winkte zurück. Alex winkte und winkte. „ Der ist aber aufgeregt“, dachte Oliver Alex war schwer zu verstehen. „Rei…, Rei…“ und zeigte mit seinem Finger stromab. Dann sieht mich Oliver, bis zu den Oberschenkeln im Wasser, die Beine merkwürdig gespreizt, Oberkörper leicht in Rückenlage, mit gekrümmter Rute stehend. Und dachte sich, dieser Teufelskerl drillt schon wieder einen Fisch! Sieht aus, als bräuchte er Beistand. Schnell hin, das ist aber gar nicht so einfach, denn der Olli steht mitten im Lagen. Erst mal den Weg über die glitschigen Steine zum Ufer finden. Und dann im Laufen die Kameratasche öffnen. Das muss schließlich dokumentiert werden. Bevor er mich erreicht, ist der Zauber jedoch vorbei. Meine freie Hand ballt sich zur Faust „SCHEISSE“ rufend und ins Wasser schlagend komm ich mit hängendem Kopf und bleich im Gesicht ans Ufer. „Das war ein Grosser“.
Ich bin fix und fertig. Am ganzen Körper zitternd sitze ich nun da.

Er ist weg. Habe ich was falsch gemacht? Zu viel Druck ausgeübt? Oder gar zu wenig? Ist der Haken nicht scharf genug? Hätte ich nach der Flucht des Fisches vielleicht doch einen Anschlag setzen sollen? Ich weiß es nicht! Tja, -war halt ein Profilachs. Jetzt brauche ich erst einmal einen Schnaps und ich bin froh das Oliver den unter meditativem Schweigen mit mir trinkt.
Oliver möchte mich trösten. Aber was sagt man in so einem Moment? „Was gut ist, kommt wieder“? oder „Ruhig, Brauner“? Ich schau nur traurig auf das nasse Etwas in meinen Händen. Es ist eine zerrupfte Märzbraune mit hängenden Flügeln. „Schnell Reiner, knüpf´ eine Neue an, weiterfischen!“ Reiner kann nicht, kein Knoten möglich. Er hat das Lachsfieber, seine Hände zittern. „Armer Reiner“
Eine gute Stunde brauche ich um mich halbwegs von diesem Erlebnis zu erholen. Um wieder Einigermassen die Schnur ausbringen zu können. Man, was für ein Erlebnis. Vier Jahre Numedål. Es hat sich gelohnt. Dieser eine und erste Drill in den vier Jahren. Klar, ich hab den Fisch verloren, aber ich bin froh hier zu sein.

Wir sind jetzt natürlich alle wieder hochmotiviert und fischen die Strecke bis in die Dämmerung durch. Peter und Alex verabschieden sich aber dann doch etwas früher in unsere Unterkunft mit dem Versprechen uns abzuholen wenn wir kurz durchklingeln.

 

Bis wir die Hand nicht mehr vor den Augen sehen fischen Olli und ich weiter. Olli kämpft sich weiter stromab, bis zur Grenze der gelben zur blauen Zone. Der Fluss vergrößert sich hier auf die doppelte Breite und wird ruhig, wie ein See. Am Übergang liegen mannshohe Steine im Wasser zwischen denen sich die Strömung hindurchschlängelt. Hier werden häufig Meerforellen gefangen. (Auch ich habe hier schon eine gefangen) Es ist eine schöne Stelle, das Wasser ist gut zu lesen. Man hat Ausreichend Platz für den Überkopfwurf und die Fliege fischt hier ewig. Am Ende der Drift hängt sie genau an der Strömungskante. Während Oliver diese Situation völlig entspannt (Olli und entspannt?) genießt, klopft es an „TOCK, TOCK!“ Zwei deutliche Zupfer, nicht so zart und leise wie sonst. Oliver beobachtet die Schnurschlaufe. Die müsste ihm jetzt eigentlich durch die Finger gezogen werden, aber nichts dergleichen. er lässt etwas Schnur laufen, hebt und senkt die Rute. Nichts. Oliver holt die Schnur ein, wechselt die Fliege, wirft exakt den selben Wurf, die selbe Drift. Weitere Würfe und Varianten folgen. Wieder nichts. Das ist Lachsfischen: Höhen und Tiefen ganz dicht beieinander. Trotzdem ist er nicht enttäuscht, denn seine Angebetete hat ihm einen Blick zugeworfen. Vielleicht kommt es ja bald mal zum ersehnten Rendevouz.

Etwas hat sich verändert, ist anders als sonst. Wir glauben, einen geschärften Blick für das Wasser bekommen zu haben. Wir fischen erheblich gezielter als früher, haben ein besseres Gefühl für das, was wir hier tun. Stochern nicht mehr im Dunkeln herum. Das wollen wir nutzen. Später treffen wir uns vor dem Biwak, einer kleinen Holzhütte, auf deren Tisch ein Schaf steht. Weitere Schafe treiben sich in der näheren Umgebung herum. Lustig, wie sie in der Dämmerung einander zurufen. Sie habe völlig unterschiedliche Stimmen und kommunizieren lautstark miteinander. Wir dagegen unterhalten uns fast flüsternd. Andächtig. Als wir näher kommen überlassen die Schafe, nett wie sie sind die Schutzhütte uns. In dieser sitzen wir nun und lassen das Geschehene bei einem letzten Gläschen noch einmal Revue passieren.
Es ist schon nach 23:00 Uhr und langsam wird es Zeit aufzubrechen, wir wollen Peters Geduld nicht überstrapazieren und über den Bach müssen wir mit dem kippeligen Kahn ja auch noch.
An diesem Abend bekommen wir Besuch von Tom. Wir freuen uns, ihn wiederzusehen. Tom ist dieses Jahr nicht ununterbrochen im Camp. Da er vor 14 Tagen zum zweiten Mal Vater geworden ist pendelt er zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Bei einigen Flaschen gutem Wein dreht sich wieder alles um Lachse und deren Fang. Wir berichten von unserem aufregenden heutigen Tag. Tom folgt sehr aufmerksam meinen Ausführungen und sagt, dass der Pool, wo ich meinen Fisch verloren habe, der beste Pool im Fossa ist.

 


Er empfiehlt uns aber, das nächste Mal, von der anderen Seite zu fischen (also der, wo Peter und Alex waren). Dort gäbe es insgesamt mehr Möglichkeiten ihn
zu befischen.



20.08.Lange braucht Fossa nicht zu warten. 0530 Uhr am nächsten Morgen sehen wir uns wieder. Dem Fluss begegnen wir wieder einmal im Nebel. Diese mystische Stimmung haben wir am liebsten. Das Wasser gluckert, ein paar Enten quaken und „sssst“ sausen unsere Fliegenschnüre durch die Luft. Das ist toll. Heute bleiben wir alle vier auf der Westseite.



Diese Seite hat in der Tat erheblich mehr interessante Spots zu bieten, ist aber nicht einfach zu befischen, weil das Wasser schon auf den ersten Schritten tief wird. Um aber überhaupt einen Wurf anlegen zu können, ohne mit der Rutenspitze die Bäume zu rasieren, muss Fliegenfischer bis zur Brust ins Wasser. Das bedeutet ständig hochgefahrene Ellbogen, oder aber nasse Ärmel. Oder Beides. Dafür liegen hier verführerische Felsbrocken im Wasser, die von der Strömung umwirbelt werden.

 


Die Hauptströmung, also die Hauptstrasse der Lachse, ist gut erreichbar und klar definiert. Vielleicht taucht „Fossa West“ deshalb so häufig mit großen Fischen in der Statistik auf. Lachs und Lachsangler lieben diese Strecke gleichermaßen. Peter und Alex machen es sich am Anfang der Strecke bequem, mich zieht es zu „meinem“ Pool (diesmal nur eben von der anderen Seite) und Oliver schaut nach, ob sich irgendwelche Lachskiefer aus dem Wasser erheben, denen er bei dieser Gelegenheit die ein oder andere Fliege offerieren kann. Hier und heute gibt es jedoch keine Reaktionen, deshalb folgt Oliver dem Fluss hinunter in meine Richtung. Auf dem Weg dahin geschieht es ihm wieder: Diesmal ganz leise. Ein zartes, sehr vorsichtiges Ziehen an der Schnur. Und sonst nichts. Die Norweger sagen „Lift“, wenn sie dieses Verhalten beschreiben. „I had a lift“ sagt alles. Der Fisch erhebt sich vom Gewässergrund, um die Fliege, in welcher Form auch immer, zu berühren. „Better than nothing“ sagt wiederum Tom Tveitan, der Fachmann, wenn wir ihm davon erzählen. Ist das wirklich besser als nichts? Ja, denn es hält die Flamme am Lodern. Es ist ein Zeichen, dass wir auf dem richtigen Weg sind, an der richtigen Stelle fischen. Ein Zeichen für weitere Würfe an derselben Stelle. Ein Zeichen für noch konzentrierteres Weiterfischen. Das zarte Ziehen dort unten bringt „oben“ alle Alarmglocken zum Schrillen. Auf solche Zeichen haben wir sehr lange gewartet. Wir erhalten sie momentan fast täglich und würden jetzt gerne einen Schritt weiter gehen, nämlich den Fisch festmachen, „richtig“ fest mit Drill und Landung. Das komplette Programm also.

 


Aber im Moment gilt: „Ja, besser als nichts, und mehr als die letzen drei Jahre“ Auch ich berichte ihm von frustrierenden Zupfern im Pool des „Großlachsdramas“ den ich heute besonders konsequent und vorsichtig aber erfolglos abgeklopft habe.
Nachmittags sind wir in Kallebergøya. Dort fischen wir in Viererreihe unseren Lieblingspool. Immer wieder sehen wir einen Lachs springen. Nicht so viele wie die Jahre zuvor. Aber ab und zu zeigt sich mal einer. – „He, nicht dass ihr denkt, hier gibt es keine Fische. Wir sind da, scheinen sie uns mitteilen zu wollen.“

Wir fischen mit einem Abstand von 30 m zueinander den Pool einige Male durch. Mittlerweile schaut unser Junior etwas gefrustet aus der Wäsche. Mühsam, aber so ist es nun mal beim Lachsfischen.

 

Am ersten Mandaltag startete er gleich mit einem Biss und nun? NIX.. Das ist hart und nicht jedermanns Sache. Ich mache Alex den Vorschlag, mit mir den Pool an einer Stelle durchzufischen, wo „immer“ was geht. Tom, Vilhelm und ich –um nur einige zu nennen- haben dort bereits ihre Sjøørret gefangen. Alex soll mir in anständigem Abstand folgen. Wir fischen schnell und hauchen der Fliege noch etwas Leben ein, indem wir die Rute immer wieder ruckartig anheben oder an der „Saite“ zupfen. Alex wirft gut. Er könnte die Meerforellen erreichen. Aber weiß er auch wo? An den besten Stellen huscht er einfach vorbei. Da macht es „Platsch!“ und Alex stolpert über den versunkenen Baum, der mir schon im vorigen Jahr im Weg war. „Platsch“ macht es auch bei mir –an meiner Fliege hängt ein guter Fisch. Kraftvoll nimmt er Schnur. Mein Gefühl sagt mir, dass es eine Meerforelle ist. Ist ja nicht meine erste. Wilde Sprünge und Fluchten. Ich bekomme den Fisch nicht gleich ran. Ist auch gut so. Denn Oliver träumt mal wider von seinem Lachs und bekommt wieder nicht mit, dass ich ihn hier dringend zu einem Fototermin erwarte. Ich hätte doch gerne ein Foto von dem fetten Vieh bevor ich ihn release.
Na ja, Rute in der einen Hand, Leica in der anderen, so stellt man im Numedal keine Geschwindigkeitsrekorde auf. Noch bevor der Herr Fotograf bei mir ist hat sich die Forelle selbst releast. Schade, ein Foto hätte ich schon gerne gehabt. Auch an diesem Abend haben wir mit unserem Freund Tom wieder hohen Besuch. Wir diskutieren intensiv den erlebten Tag. Alex und Peter wären froh, wenn sie wenigstens mal einen „Lift“ gehabt hätten. Oliver befindet sich irgendwo zwischen Himmel und Hölle, wegen seiner „Lifts“.

Ich, mit meinen verlorenen Fischen, habe das Paradies gesehen, aber sie haben mich nicht reingelassen. Ein Thema, drei Standpunkte. Tom lächelt sein sybillinisches Lächeln: „That´s salmonfishing“. Olli bohrt. Er möchte wissen, wie er den nächsten Level erreichen kann, nämlich Fische zu haken. Tom schlägt vor, Olli solle ihn am nächsten Morgen nach Svarstadt begleiten. Dort fischt Tom immer dann, wenn er mal wieder einen Fisch spüren möchte.
Treffpunkt nächster Morgen 0600 Uhr vor Toms Zelt.

21.08.
Nach Ollis Berichten hat sich folgendes in Svarstadt zugetragen: Kurz nach sechs erreichen unsere beiden Helden die „Deep Wading Zone“ Legga. Beim Einstieg erreicht das Wasser die Oberkante der unter die Achseln gezogen Wathosen, bevor man zur flacheren Sandbank gelangt.

 

Es ist ein grauer, aber nebelfreier Morgen. Tom ist froh darüber. (Er sagt, Nebel auf dem Wasser verschlechtere die Fangchancen drastisch, was einem zunächst absurd erscheint. Wie sollen die Fische Nebel wahrnehmen? Tom erläutert, dass der Nebel nur das Symptom sei, nicht die Ursache. Ursache ist vielmehr die inverse Temperatursituation. Das soll heißen die Luft ist kälter als das Wasser und das stört) 50 m stromauf der Sandbank soll Olli mit dem Fischen beginnen. Tom möchte ihn beim Fischen beobachten. Das kann der Olli gar nicht leiden, hat aber keine andere Wahl. Unglaublich, aber wahr: Der erste Wurf, der erste Zupfer. Aber wird Schnur genommen? Nein. Auch Heben und Senken der Rute erzeugt keine weitere Reaktion. „Change fly?“ flüstert Oliver. Tom zuckt mit den Schultern. Na, dann wechselt er halt. Pause, nächster Wurf. Wieder ein zartes Zupfen, dann nichts mehr. Musterwechsel, Wurf, keine Reaktion. Heben und Senken der Rute. Und da ist es wieder: „Zupf Zupf“. Ich kann mir vorstellen das Oliver jetzt vermutlich kurz vorm durchdrehen ist. 3 Würfe, 3 Fliegen, 3 Lifts. Weitere Würfe bleiben ohne Reaktion. Oliver fischt weiter. Am Ende der Drift wieder das Zupfen ohne Schnurnehmen. Oliver wechselt die Fliege jetzt nicht mehr. Es folgt ein weiterer „Lift“. Jetzt braucht Oliver eine Pause. Soll doch Tom sein Glück versuchen. Er wirft also, die Fliege treibt rum, am Ende der Drift spannt sich die Schnur. Lachs! Tom möchte Oliver die Rute übergeben, „It´s your fish“. Nein, das kann Oliver nicht annehmen. Kurzer Drill. Es ist ein Grils, den Tom in seinen Händen hält.

 

Er ist zufrieden. Oliver möchte wissen, wie der Fisch genommen hat. „Er hing einfach“ antwortet Tom.

Oliver braucht jetzt etwas Ruhe. Wir verabreden uns für den Abend am Beithølen, einem wunderbaren Pool, der schon einige gute Fische hergegeben hat und nur von einer Seite durch geschicktes Waten zu erreichen ist.

 

Endlich erscheint Oliver. Die Luft ist feucht, leichter Nebel liegt über dem Lagen und taucht alles in eine Herbstliche Stimmung. Außer uns ist keine Menschenseele draußen. Das genießen wir an unserem letzten Tag. Wir fischen entspannt, ohne viele Worte immer wieder den Pool durch Der Pool ist nicht sehr groß, vielleicht 50-60m.Einer von uns pausiert bis der andere 20m zurückgelegt hat, um dann ebenfalls seine Fliege den Kameraden da draußen zu präsentieren. Oliver geht schon in der ersten Runde mit einem Biss in Vorlage. Aber wieder einmal ist der Kontakt nur kurz. Aber es ist noch nicht aller Tage Abend. Meine Fliege haben die Beithølenlachse ja noch nicht gesehen. Wie viele Bisse hatte Olli eigentlich dieses Jahr? Gehakt hat er jedenfalls noch keinen.

 

Nebel bei Nacht: man sieht die Hand nicht mehr vor den Augen. –„ Komm raus, wir fangen eh´ keinen mehr.– „Nur noch einen Wurf“ kommt aus der Richtung, in der ich ihn vermute. Das kenn ich, das kann dauern. Ich nutze die Zeit für meine Spezialität, Bisse in außergewöhnlichen Situationen. Ich ziehe die Schnur wieder von der Rolle und lasse meine Märzbraune weiter nach Lachs suchen. Von Oliver, das habe ich mir gedacht kommen immer noch keine Signale zum Abbruch. Einen Speycast noch, dann ist aber wirklich Schluß. Mist, Hänger, „Dzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzz“. Nach 20 m bleibt der Hänger stehen. „Olli, ich hab´ schon wieder einen“. Vier lange Jahren, drei Lache im Drill und ich sag „Schon wieder einen“... Jetzt hab ich ihn am Haken, obwohl ich Feierabend machen wollte. Der Fisch verhält sich ähnlich wie der erste.. Die Fluchten sind kleiner, das Kopfschütteln nicht so hart. Aber Power hat er.

Ach!
Und dann ist er weg. Ich hab die Schnauze voll, SCHLUSS, für heute keine Lust mehr. Ach was sage ich. Für Heute? Ich fische nie mehr auf Lachs! Das war es. Wer will meine Ausrüstung kaufen? Troll, wenn ich dich erwische, drehe ich dir den Hals um.


Weil Oliver immer noch zwei Durchgänge machen muss, zwicke ich vorsichtshalber meine Fliege ab, spule die Schnur auf die Rolle setze mich auf einen Stein und packe derweil schon mal meinen Flachmann aus. Mitten im Fluss prosten wir uns zu, knipsen unsere Stirnlampen an und sehen so gut wie nichts. Zunächst egal.
„Reiner so nah wie in diesem Jahr waren wir noch nicht dran“ –
„Sind halt Profilachse. Nächstes Jahr. ..Komm raus jetzt. Siehst Du noch was?“
„Nö, nicht mehr wie Du“
„Ist mir jetzt auch egal. Da schwimmen wir halt ans Ufer.“
„Aber du weißt schon, dass da unterhalb der Wasserfall ist“?
Die Suche nach dem Ausstieg beginnt. Das ist im Hellen schon nicht leicht.
„Wie war das noch mal? Wir müssen nur auf den Stein am Ufer zugehen...Ufer? Wo ist das Ufer?“
Lange Rede kurzer Sinn, es ist weg. Der Nebel hat es aufgefressen.
„Sind wir nicht hier durch? Olli pass auf, da ist die Strömung zu stark“
Aber wir haben unseren Weg doch noch gefunden.

22.08. Abreise. Leider. Es fällt schwer, noch zwei, drei Tage und da bin ich mir sicher, wir hätten unseren Fisch gefangen. Na was soll``s was nicht ist, ist nicht.
Die zwei Drills waren Anfüttern für nächstes Jahr. Nächstes Jahr, gleiche Zeit!



Danke an Arne, Tom, Eric und Vilhelm für die schöne Zeit die wir mit Euch verbringen durften..

Eine Woche später, - Oliver ist am Telefon, - „Du, Reiner ich fahre noch mal an den Lagen“. – „Ne, oder!? Das kannst du doch nicht machen!“ – „Doooch,... ich muss da noch mal hin.“